
STADTHAUS IN TELGTE
REVITALISIERUNG EINES DENKMALGESCHÜTZTEN STADTHAUSES AUS 1889
ORT: TELGTE, DEUTSCHLAND
JAHR: 2022
TYPOLOGIE: WOHNEN UND GEWERBE
STATUS: FERTIGGESTELLT
BAUHERR: PRIVAT
FOTOS UND GRAFIKEN: ROMAN MENSING / JD A

Im Jahre 1887 wurde die Eisenbahnlinie Münster - Telgte - Warendorf eröffnet und der Telgter Bahnhof im Süden der Altstadt Telgtes errichtet. Zur Anbindung des Bahnhofes an den Stadtkern diente die Bahnhofstraße. Diese ist nach wie vor geprägt durch Bauten der Jahrhundertwende und erstrahlt im altbaulichen Charme, wie keine andere Straße Telgtes. Das Haus bildet den Auftakt der Bebauung an der Bahnhofstraße und liegt unmittelbar an dem kleinen Bahnhofsvorplatz. Die ehemalige Funktion als Gasthaus gehört damals wie heute zur typischen Infrastruktur im Nahbereich eines Bahnhofes und ist so für die Kleinstadt Telgte schon aus ortsgeschichtlichen Gründen bedeutend.
1889 wurde das sechsachsige, traufständige Gebäude auf einem verputzten Sockel mit aufgesetzter Quaderung gegründet. Die Fenstern mit profilierten Fensterrahmungen und Sturzsteinen stehen auf umlaufenden, profilierten Gesimsen. Die Gebäudekanten werden durch Eckquaderungen definiert. Zwei große Inschriftspiegel an der dem Bahnhof zugewandten Giebel- und Traufseite dokumentieren bis heute die damalige Nutzung des Gasthauses.
Über die viele Jahre wurde das Haus immer wieder umgebaut, die denkmalwerten Aspekte verwässert. Wie jedem Gebäude, setzen auch diesem der Krieg, die Zeit und die Witterung stark zu.
Der denkmalgeschützte Gasthof wurde letztlich 2021-2022 behutsam restauriert und ergänzt. Das Haus von gestern wurde Innen wie Außen den modernen Anforderungen angepasst, ohne den Charme von damals zu verlieren.
So wurden alle denkmalgeschützten Momente des Gebäudes behutsam restauriert oder rekonstruiert und durch punktuelle Maßnahmen der zeitgenössischen Architektur unterstützt und ergänzt. Die prägnante denkmalgeschützte Putzfassade des Hauses wurde untersucht und daraufhin aufwändig und respektvoll restauriert. So wurden vorhandene Risse und Abplatzungen bearbeitet sowie nutzlose materielle und haustechnische Störungen von der Hauswand entfernt.
Eine Untersuchung der Farbschichten der Fassade hat ergeben, dass durch die Fassadensanierung in 1974 sämtliche bis dato existierenden Schichten abgetragen wurden. Die auf historischen Dokumentationen zu erkennende, ursprüngliche Farbgebung des Hauses wurde letztendlich aufgegriffen und in einem hellen zeitgemäßen Farbton neu gestrichen. Einst zugesetzte Fensteröffnungen wurden wieder geöffnet. Die bestehenden Kunststofffenster wurden gegen zweiflüglige, energieeffiziente Holzfenster mit Stich und profiliertem Kämpfer ausgetauscht. Das pfannengedeckte Satteldach wurde mit einem denkmalkonformen, gedämpften Hohlziegel mit Geradschnitt restauriert, sowie energetisch dem heutigen Standard angepasst. Sowohl Ortgang- als auch Traufgesims wurden nach historischem Vorbild restauriert.
Im Inneren des Hauses wurde das historische Holztreppenhaus restauriert und einige Teile gänzlich rekonstruiert, um auch hier den Charme der Vergangenheit zu erhalten. So wurde das Treppenhaus von Trockenbau- und nachträglich angebrachten Holzverkleidungen befreit und erhielt schließlich einen cremefarbenen Anstrich. Um weitere historische Elemente in dem Haus zu unterstreichen, wurden die Wände im Treppenhaus von vielen Schichten verschiedenster Tapeten und Putzschichten befreit, um die ursprüngliche Wandgestaltung zu erhalten. Diese zeigte sich sowohl in einer historischen Wandbeschichtungen wie auch in Form alter Fachwerkwände. Hier wird somit nicht nur die alte Wandgestaltung ersichtlich, sondern zudem die Konstruktion des Hauses erkennbar. Durch gezielte Öffnungen in den Wänden des Treppenhauses, wurde dieses einmal mehr mit dem Wohnbereich verbunden. Alle weiteren Wände erhielten einen geschliffenen und dem Farbton der Fassade angepassten Marmorkalkputz.
Radikaler war hingegen der Umgang mit der Grundrissstruktur, welche im laufe der Jahre verändert oder ergänzt wurde.
Sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss wurden sämtliche, nicht unter Denkmalschutz stehende Wände entfernt. So entstanden zwei großzügige Lebensräume, die lediglich durch frei eingestellte Einbauten sanft zoniert werden. Im Obergeschoss befindet sich der Hauptwohnraum, welcher mit einer großen schwarzen Kochinsel und einer ebenso schwarzen, runden und gläsernen Feuerstelle in Wohn- und Essbereich gegliedert wird.
Eine Rampe, die sich in eine großzügige, unmittelbar vor der Eingangstür liegende Terrasse ausbreitet, dient der barrierefreien Erschließung. Der im Erdgeschoss gelegenen Eingangsbereich öffnet sich zum Wohnraum im Obergeschoss. Hier wurden die Deckenbalken freigelegt und die beiden Geschosse über einen 8 Meter hohen Luftraum miteinander verbunden.
Die alte Eingangstür, sowie eine alte Schiebetür, die in den Wänden des Erdgeschosses entdeckt wurde, wurden ebenfalls restauriert und dienen nun als stille Zeitzeugen der einstigen gastronomischen Nutzung des Hauses zur Mitte des 20. Jahrhunderts.
Ebenso wurden mit der Haustechnik ein weniger sichtbarer Aspekt des Hauses an die heutige Zeit und den heutigen Standart eines komfortablen und energetischen Wohnens angepasst. So wurde etwa die veraltete Elektrotechnik durch ein BUS-System mit Gebäudeautomation abgelöst und die vorhandene Ölheizung durch eine ressourcenschonende Pelletheizung ersetzt. Für eine angemessene Wärme, werden damit sämtliche Räume über eine Flächenheizung im Boden erwärmt. Das Gebäude wurde weiter entsprechend dem Effizienzhaus-Standard für Baudenkmäler energetisch ertüchtigt. Da eine aussenliegende Dämmung aufgrund der Fassadengestalt nicht umsetzbar war, wurde die Gebäudehülle mit einem innenliegenden, feuchteregulierenden Dämmputz ausgestattet.
Bei Betrachtung des Hauses wird schnell deutlich, dass hier einerseits historische und denkmalgeschützte Aspekte behutsam und respektvoll erhalten und rekonstruiert wurden und andererseits neue und zeitgenössische Elemente hinzugefügt wurden. So zieht sich ein behagliches und harmonierendes Spiel von Gegensatzpaaren durch das Haus, ein Spiel von alt und neu, historisch und modern, hell und dunkel, schlicht und verspielt sowie rustikal und opulent.
























